Alles voll gegen die Wand

Redaktionsbeitrag in “Wirtschaftsmotor”, Ausgabe 4/2022

Friederike, kurz F., 40, eine karrieregetriebene Provinzpolitikerin, hat ihr bisheriges Leben satt. Sie will endlich etwas Großes sein und aus dem Schatten ihrer Mutter herauskommen, einer aus hoher Funktion ausgeschiedenen Landespolitikerin. Als sie Bürgermeisterin geworden ist, rast sie im Vollrausch der überall angesagten Transformation und Disruption mit einer Schar von Befehlsempfängern und Träumern mit der Stadt frontal gegen die Wand.

Sie hinterlassen einen Scherbenhaufen an funktionsunfähigen Ämtern, verlorenen Beamtenkarrieren, kaputten Betrieben, arbeitslosen und unversorgten Mitbürgern. Sie überlebt dies – aber nicht politisch. Sie sieht sich am Ende. In der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses lernt sie Gina, kurz G. kennen, ein junge Frau – wie sie aus einem karrierepolitischen Elternhaus. Sie hat einen Selbstmordversuch hinter sich: ein Versuch, ihrem in Korruption und Seilschaften verstrickten Elternhaus und dem engen vorgepressten Leben als Jungpolitikerin und Jungaktivistin zu entfliehen, und das um jeden Preis.

In ihrer verzweifelten Suche nach Erklärungen versucht F. gemeinsam mit G., die Spuren zu finden, wie es zu allem gekommen war. G. hadert, ob sie sich auf den schmerzvollen gemeinsamen Weg einlassen will, stimmt jedoch zu. Die beiden teilen ein Zimmer. Und langsam schleicht sich die Liebe in F.s Welt. Sie verliebt sich in die nach Leben und Freiheit hungernde 23-Jährige. G. gibt ihrem Dasein wieder einen Sinn. Gemeinsam beginnen sie die Suche nach den Spuren des Desasters, das allen so viel Leid brachte. Sie finden frühe Beeinflussungen und Manipulationen. Sie kommen auf Belohungen, die manchmal nur in Aufmerksamkeit der Oberen bestanden. Sie erinnern sich an das umwerfende Gefühl, an großen Konferenzen teilzunehmen und an die ersten Verantwortungen, die sie übernehmen durften. Sie beginnen auch zu begreifen, wie ihnen alternativlose Konzepte manchmal mit Machtmitteln und Ansagen aber manchmal auch mit süßen Worten verkauft wurden. Vieles wurde ihnen vorenthalten, nur damit sie im großen Räderwerk funktionierten. Sie bereuen die vielen Lügen und Manipulationen aber sie freuen sich über ihren gemeinsamen Weg.

Doch dann geht es G. immer besser. Sie genießt nach und nach mit jedem Therapiefortschritt ihre neu gewonnenen Freiheiten in vollen Zügen und verbindet sich mit zahlreichen Menschen aus dem einstigen Widerstand. Sie verliebt sich in den jungen Studenten Hannes, kurz H.

F. dreht aus Eifersucht durch, als sie davon erfährt und bringt im Affekt H. um. Nach dem Rausch des Zorns entdeckt sie, wie viel sie für G. empfindet. G. verspricht ihr, auf sie zu warten, so lange F. für ihre Tat an H. im Gefängnis sitzt. G. bereut, wieviel Schicksale sie in ihrer Zeit im Amt auf dem Gewissen hat. Sie bereut ihren Jähzorn und den tragischen Tod von H.

Doch als F. Jahre später entlassen wird, hat G. längst ein neues ausfüllendes Leben mit Mann und vier Kindern am Tegernsee begonnen. F. möchte ihre große Liebe noch einmal sehen. Doch dies gelingt ihr nicht. Sie trifft auf eine Wand.

Filmfreunde haben es schon erkannt. Der Plot ist von dem Film von Fahit Akin “Gegen die Wand” inspiriert. Sein 2003 abgedrehter Film (Autor und Regie), eine deutsch-türkische Produktion, war mit den beiden Schauspielern, Birol Ünel Sibel Kekilli, ein Volltreffer im internationalen Kino.

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