Ein paar Überlegungen zum Grundverständnis eines Begriffs in aktuellen Diskussionen

UKS Redaktionsbeitrag 02/2022

Die Zeiten sind mehr denn je unsicher, aufgeheizt und verwirrend. Die Gemüter erhitzen sich schnell einmal und so manche Position scheint unversöhnlich. Zuletzt sahen wir das auch in der Berichterstattung zu unserem Unternehmerkreis. Lagerdenken hilft zumeist nicht weiter. Vernunft ist eine Eigenleistung von jedem, der eine Diskussion beginnt, daran teilnimmt oder sie berichtend begleitet. Oft sind es dann ungeschickte Begriffswahlen, die entzweien.

Melden sich Unternehmer in diesen Tagen, begegnet ihnen oft kollektives Unverständnis. Mit ihnen verbindet man Individualismus, Eigenwirtschaft bis hin zu Eigensinn sprich Egoismus. Ausgeblendet wird dann, dass sie für ihre Unternehmung zwar ein individuelles Risiko bereit sind zu tragen, aber immer auch für ihre Belegschaft, ihre Kunden und Lieferanten sowie auch für ihre Familien Risiken absichern, Entscheidungen treffen und den Fortbestand als Leistungseinheit bewahren wollen und auch müssen.

Kollektiv und Individuum sind eigentlich auch die Nahtlinien, an denen sich der Streit abarbeitet und zu denen immer schon ein verfassungsmäßiger – sozialverträglicher – Abgleich gefunden werden musste und im Rahmen der FDGO auch immer weiter gefunden werden muss.

Für uns Unternehmer gilt das Netzwerken als Muss. Die freie Wahl von Netzwerkpartnern ist betriebswirtschaftlich lebensnotwendig. Partnerschaften können ökonomisch sinnvoll sein. Mitgliedschaften in Interessenverbänden sind oft das Mittel der Wahl, um Wissen verfügbar zu erhalten und den Positionen einer Branche auf höheren Ebenen Gehör zu verschaffen. Aber wie sieht es mit Lobby-Gruppen einerseits und Zwangsmitgliedschaften in Kammerorganisationen andererseits aus? Sind die vielleicht radikal? Sind das vielleicht die radikalen Ausformungen von unternehmerischem Kollektivismus und Individualismus? Allein weil Zwang einerseits und Manipulationen andererseits angenommen werden müssen? Radikalunternehmerisch? Unternehmerradikale?

Der Gegenbegriff zu radikal ist wohl angemessen oder ausgemittelt. Um von der Qualität angemessen zu der Qualität radikal zu kommen, wird eine Entwicklung angenommen oder vorausgesetzt, nämlich die der Radikalisierung. Darüber hinaus finden wir dann noch das Wort extrem. In der aktuellen Debatte oft als rechtsradikal oder linksradikal, rechtsextrem und linksextrem. Im religiösen Bereich wird der Begriff des religiösen Fanatismus mit eingesetzt.

Rechts und links haben lange Jahrzehnte den Diskurs in diesem Lande bestimmt. Rot oder schwarz. Konservativ oder modern. Die Liberalen waren mal so mal so. Aber zuletzt hat sich viel von der Begriffsklarheit eingetrübt. Links ist nicht mehr der Glaube an kollektive Lösungen und Rechts der Glaube an individuelle Lösungen, die ohne Einmischung auskommen.

Besinnt man sich auf die Teilung links – kollektiv/modern und demgegenüber rechts – individualistisch/konservativ zurück, wäre der kollektivradikale, derjenige der alle Moden mitmacht und auf die Massen setzt. Der individual-radikale wäre aber der, der einfach völlig alleine sein will. In den Extremen wäre der Linksextreme der kollektive marodierende Mob und der Rechtsextreme doch eigentlich einer der final im Stillen alleine seinem Leben ein Ende setzt, und zwar selbst. Sind dann nicht die ganzen Diskussionen falsch geführt?

Kommen wir zurück auf die Unternehmer, sehen wir im Protest kein kollektivistisches Moment. Kein Mob. Es sind Individualisten, die nur zusammen finden, um das individualistische Lebenskonzept, gemittelt um die eigene Verantwortung für Kollektive (s.o.) miteinander schützen wollen. Ist das sogar egoistisch? Nein, denn es hängen viele (Existenzen/Familien) am Unternehmen. Würde genau hierfür wieder Verständnis aufgebracht, käme ein fruchtvoller Dialog zustande. Denn wohl alle, die sich heute in die Diskussion stellen, wollen sicher keine Kartelle und Monopole von übermächtigen Unternehmen und wohl erst recht keine Staatsverflechtungen, wie sie in den späten 1940er und 1950er Jahren erst wieder aus unserem Land dekartellisiert werden mussten. Zur Geschichte noch: in dieser Zeit wurde unser Grundgesetz verfasst und so aufgebaut, dass die individuellen Grundrechte Art 1 bis 20 GG als Abwehrrechte den kollektiven Staatsorganisationsregelungen der Art. 20 bis 146 GG vorangestellt wurden. Und das aus gutem Grund und den grauenhaften Erfahrungen der späten Weimarer Republik und dem National-Sozialistischen Terrorregime. Nach der Wiedervereinigung fanden sich die Selben Gründe aus den ebenfalls grauenhaften Erfahrungen der Sozialistischen „Einheits“-Diktatur (SED) in der Deutschen „Demokratischen“ Republik.

Ein souveräner und gesunder Mittelstand ist, was vielfach beschworen wird. Soll das etwa ein still duldender Mittelstand sein wie im Sozialismus sowjetischer oder chinesischer Prägung?

Hören wir doch alle wieder unvoreingenommen zu, was aus der Mitte der Gesellschaft, was eben aus dem Mittelstand kommt. Mit Maß und Verstand. Und was wir uns nicht leisten können, das müssen wir auch hinterfragen. Das gebietet die betriebs- und volkswirtschaftliche Vernunft.

Was unternehmerisch ist, ist lange nicht modern. Aber was modern ist, ist noch lange nicht gut für alle.

Unternehmerkreis Schwaben
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